Kaskade 005 - 1985
LOUVAIN LA NEUVE¶
Infrarot gegen Ultraviolett¶
(Image 1: A person juggling three objects, possibly balls or clubs, high in the air. Another person is standing on a tall unicycle in the background.)
Tim Roberts, Rezé, Frankreich
Das 8. europäische Jongliertreffen kam und ging (schon), wenige werden die Emotionen und Kameradschaft vergessen, die dazu gehörten. Die anderen dachten nur, daß es eine gute Party war und hoffen, genug Geld zu sparen, um nächstes Jahr hinfahren zu können.
Aber für einen klugen Beobachter wie mich (ich darf das sagen, es ist mein Artikel), eröffnete das letzte Jongliertreffen ein vollkommen neues und unerforschtes Gebiet der Jonglierkunst und der Objektmanipulation. Eine so offensichtliche Disziplin, so praktisch, so einfach in ihrer Konzeption, daß es fast peinlich ist zu denken, daß 4000 Jahre vergangen sind und diese Idee nicht ein Mal auftauchte. Ehrlich nicht, Skeptiker können Karl-Heinz schreiben. Diese revolutionäre neue Idee, dieser Donnerschlag ins Tiefste unseres Bewußtseins, der uns bis ins Mark unserer Silikonbälle erschütterte, war folgende: (bist du bereit?) Du kannst eine ganze Nummer machen mit NICHTS!
Und die Leute applaudieren trotzdem. Allan Jacobs Nummer mit unsichtbaren Bällen war ein Knüller, stellte die gesamte Jonglierwelt in Frage und hat das Potential, uns alle zu befreien. Ich persönlich war sehr bewegt.
Stell dir vor, keine schwere Ausrüstung herumschleppen, kein Dekomaterial erneuern, keine Knobs ersetzen. Und wohl das Wichtigste - diese Befreiung, von der ich sprach - keine Stunden um Stunden des Aufhebens! Wir sind frei, wer hätte das gedacht?!
Und keiner kann je wieder sagen: "Ich habe es schon im Fersehen gesehen."
Aber diese Antitechnik ist nicht auf das simple Werf-und-Fang-Jonglieren beschränkt, was jeder bestätigen kann, der Zeuge von Allans spontanen Balldrehworkshop mit dem König dieser Disziplin, M. Francois Chotard, war. Dreißig neugierige Zuschauer standen regungslos mit offenen Mündern wie Nußknacker in der Weihnachtsauslage und sahen zu, wie Allan eine vollkommen fehlerlose 5-Minuten Balldrehnummer hinlegte. Komplett, verstehst du, mit Posen, Übergängen, Pausen für Applaus - OHNE EINEN BALL!! Ich habe Notizen gemacht, es war zu hoch für mich.
Aber - zu jedem Ying gibt es ein Yang, zu jedem Ping ein Pong, zu jedem King ein Kong, und unsere Tätigkeit ist nicht anders. Opposition und Ironie waren durch Grigory Popovitch personifiziert. Der erste Russe, der je bei einem europäischen Treffen teilnahm, brauchte nur seine Nase zu kratzen, um den ganzen Saal zum Stillstand zu bringen.
Nur für den Fall, daß du im Koma warst: er jonglierte 9 Ringe auf einer freistehenden Leiter, auf einem Tisch, lächelnd! "Der Jongleur" und genauso ein Genie wie Allan Jacobs, obwohl sie von zwei verschiedenen Schulen kommen. Was eigentlich bei dem 8. europäischen Jongliertreffen gegenwärtig war, waren die zwei widersprüchlichen Theorien und Philosophien zum Jonglieren. Die Infrarote und die Ultraviolette, die "Zahlen-gegen-Stil" Auseinandersetzung. "Das große Rätsel" und das "Wie?" und "Warum?" von dem, was wir tun.
Nun, wenn du so bist wie ich, wirst du die Sinnlosigkeit des "Warum?" bemerkt haben. "Warum" ist eindeutig zu schwer, um gestellt zu werden, besonders an einem selbst, deshalb der Erfolg der Bar in der Sporthalle. Viele von uns Normalsterblichen hielten es für das Beste, nach dem "Wofür?" und "Wer zahlt?" zu fragen, und die ernsthafte Selbstreflexion gewandteren Gehirnen zu überlassen als unseren. Wir konnten kaum die Aufgabe bewältigen, den höchsten Plastikbecherturm der menschlichen Geschichte zu konstruieren, aber zum guten Schluß hatten auch wir Erfolg. Nach all dem waren wir zu müde, um weiterzumachen, und "Warum?" wurde auf die Tagesordnung des Organisationstreffens vertagt.
Bis jetzt gibt es immer noch keine Antwort darauf.
Vielleicht nächstes Jahr?
(Image 2: A person juggling three objects, possibly balls.)
Gregor Popovich, Foto: Bill Giduz, Jugglers World
Allan Jacobs, Public Show, Foto: Werner Lüft, Berlin
Was ist mit den Frauen?¶
(Image 3: Three people in a three-legged race, outdoors.)
Dreibeinrennen auf dem Grand Place, Brüssel, Foto: Hugo Rohde, Frankfurt
Sue Hunt, Nantes, Frankreich
Am Abend unterbrachen die meisten Jongleure sogar ihr Training, um zu essen, zu trinken und um von den vielfältigen Gesprächen zu profitieren, die möglich werden, wenn 15 verschiedene Nationalitäten für 3 Tage zu einem großen Energieknäuel zusammengeballt sind.
Einige Leute jonglierten einfach weiter.
Worüber reden diese ganzen Jongleure? Wie üblich gab es die moralischen und die philosophischen Probleme: es gibt immer noch kein geschriebenes Berufsethos für Jongleure.
Darf man anderen die Nummern klauen? Was ist die Definition von Klauen? Sollten wir Tricks zeigen, oder sollte sie jeder selber entdecken? Sollten Profis zusammen mit Nicht-Profis eine Show machen? Was ist ein guter Jongleur? Was ist eine gute Jongliershow? Und was ist der Unterschied zwischen beidem?
Und was ist mit den Frauen? Wo stehen wir inmitten der 650 anderen Jongleure? Genau mittendrin: wir probieren die neuesten Tricks, suchen nach dem perfekten Passingpartner und bewundern die "Experten" genau wie jeder andere auch.
Zugegeben, es gibt Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Jongleurexemplaren. Ohne auf die physionomischen oder ballistischen Details einzugehen, der deutlichste Unterschied ist der Stil. Frauen tendieren dazu, ihren Körper und seine Relation zu den Objekten im Raum zu benutzen. Männer konzentrieren sich eher auf die Objekte selbst. Das ist offensichtlich, wenn man/frau eine Vorstellung sieht. Egal wie emanzipiert der Zuschauer zu sein vorgibt, er oder sie wird die Frau hinter der Jonglage genaustens prüfen. Das ist nichts Schlimmes. Eine gute Darstellerin wird das zu ihrem Vorteil nutzen.
Die weiblichen chinesischen Schlangenmenschen haben es verstanden: wer beachtet schon die auf dem Zeh balancierten zehn Teetassen und Teelöffel... es ist die Frau, die sich selbst verknotet, der unsere Aufmerksamkeit gilt.
Ein unerklärlicher Unterschied ist, daß Frauen weniger dazu neigen, von dem "Numbers Juggling" (=dem Jonglieren von einer hohen Anzahl von Gegenständen) angezogen zu werden. Haben wir weniger Wettkampfseifer, sind wir faul, oder wollen wir nur unseren Spaß?
Obwohl die Zahl der Freizeitjongleusen wächst, mangelt es in der professionellen Szene. In den traditionellen Jongliernummern ist die Frau eher am Rande der Bühne zu finden, wo sie die Requisiten des Partners nach seiner Nummer auffängt und ihm die nächsten zuwirft, statt selber im Rampenlicht zu stehen.
(Image 2: A person juggling, with a spotlight effect.)
Staaten gekommen zu sein und fing wahrscheinlich in den Straßen von San Francisco an. Sie verbreitet sich mit alamierender Geschwindigkeit in der europäischen Jongliergemeinschaft: Die "Street-Stage Identity Crisis" (SSIC) (Straßen-Bühnen Identitätskrise).
Hier einmal die eindeutigsten Symptome an denen man/frau einen SSIC-befallenen Performer erkennen kann: Sei laut, schrei dein Publikum an, beleidige sie, dann sei schüchtern, als wüßtest du nicht, wie man jongliert. Halte dein Publikum immer wieder an, zu applaudieren, dann tue so, als wärest du zu cool, dir etwas daraus zu machen. Erzähle Non-stop-Witze während du wahnsinnige Tricks machst, die keiner verstehen kann. Spiele freundlich und nachbarschaftlich, dann zeige ein Las Vegas-Lächeln und dreh eine Pirouette und schrei "Ho!" Trage Hosenträger, ein Seidenhemd, breite Hosen, schmutzige Schuhe und einen Hut. Gebrauche die gleichen Sätze wie andere Jongleure, weil sie einen "Lacher" kriegen. Das Resultat ist, daß es nun hundertevon "darstellenden Jongleuren" gibt, die sich alle gleichen und niemand gleicht jemand bestimmten. Es ist eine merkwürdige Zusammenstellung von Bühne-Sport-Zirkus und Student auf Urlaub. Das Erstaunlichste ist, daß sich so viele Jongleure genau in diesen Charakter einfinden können und so wenige versuchen, etwas eigenes zu suchen.
(Image 4: A woman juggling two diabolos.)
Karin Johnson und 2 Diabolos Foto: G.H.
Weibliche Straßenjongleure brauchen genug Mut um mit anzüglichen Bemerkungen oder damit, als "Freak" angesehen zu werden, fertig zu werden. Aber all das ist neben dem eigentlichen Problem zweitrangig. Das Problem ist für Jongleusen und Jongleure das gleiche und es gab deutliche Anzeichen bei dem letzten Jongliertreffen. Wir sind mitten in einer Epidemie. Sie scheint von den
Weibliche Jongleure - um zu dem Problem zurückzukommen - mögen das gleiche Image für ihre Auftritte probieren oder nicht. Da die Szene schon mit männlichen SSIC-Jongleuren überfüllt ist, sind die meisten Frauen gezwungen, ihren eigenen Charakter und Stil zu finden, um sich von der Konkurrenz abzuheben.
Der einfachste Ausweg ist natürlich, ein glänzendes, enges Kostüm zu tragen und viele zierliche Jonglierformen an den Tag zu legen. Eine andere Lösung ist, ein neutrales Kostüm zu haben und eine androide Gruppenjonglage zu zeigen. Aber es gibt so viele andere Möglichkeiten.
Vielleicht werden es die Jongleusen sein, die mit dem etablierten Modell brechen und wieder Neuheiten - und wer weiß? - Unterhaltung auf die Bühne bringen.
Liebe Astrid¶
Gérard Estrem Foto: G.H.
Charlie Holland, London
(Image 3: A person juggling three objects, possibly balls.)
Brüssel, den 14. September
Ich muß Dir unbedingt von den unglaublichen Ereignissen der letzten Tage erzählen. In meinem letzen Brief erzählte ich Dir, daß ich eine Arbeit als Kellnerin in einem großen Sportkomplex in Louvain La Neuve begonnen habe. Vor ein paar Wochen sagte man mir, daß die ganze Halle für das 8. europäische Jongliertreffen gebucht wurde. Ich dachte, der Manager veräppelt mich! Also wirklich, es gibt nicht genug Jongleure, um ein Squashfeld zu füllen, geschweige denn eine Halle, wo 600 Leute reinpassen. Das dachte ich zumindest, aber die Mitglieder der "Ecole Sans Filet", die das Treffen organisierten, schienen es ernst zu meinen. Sie sagten mir, daß die Cafeteria wahrscheinlich zwischen halb zehn und halb vier gebraucht würde - es kam mir nie in den Sinn, daß sie 9.30 Uhr morgens bis 3.30 morgens meinten! Das Treffen begann Donnerstags, trotzdem kamen die "Balls-up Jugglers" von Cardiff am Mittwoch, zur Ehre ihres Namens, nehme ich an. Donnerstag morgen um 11 Uhr standen die Leute an der Anmeldung Schlange, andere jonglierten und fuhren in der großen Halle Einrad. Requisitenverkäufer hatten ihre Stände aufgebaut, und ich war so beschäftigt, Kaffee, Bier und Frühstück zu servieren, daß ich gar nicht alles aufnehmen konnte. Ich bekam eine kleine Verschnaufpause, als in der großen Halle ein lauter Applaus ertönte und jeder zum Fenster lief, um zu sehen, was passierte. Ich folgte auch und sah einen Typ, der auf einer freistehenden Leiter balancierte und unzählig viele Ringe jonglierte. Später hörte ich, daß er Popovich hieß und vom Moskauer Staatszirkus kam.
Apropos Können, während des ganzen Treffens fanden alle möglichen Workshops statt, angefangen von Devil Stick (Daniel le Bateleur) über Diabolo (Todd Strong) bis Luftballonskulpturen (Roy Woodgate). Das letzte wollte ich gerne lernen, bis mir jemand sagte, daß das falsche Aufblasen der Ballons einen Bruch oder gar schlimmeres verursachen kann. Ich entschied mich stattdessen, jonglieren zu lernen - schließlich gab es viele Frauen, die es konnten und einige waren hervorragend, wie z. B. Kezia Tenenbaum von Airjazz (Airjazz hatten gerade Filmarbeiten für Paul Daniels angesehene Zaubershow des englischen Fernsehns abgeschlossen - bereits ihre zweite Einladung dort zu spielen). Es war mir peinlich, zuzugeben, daß ich nicht jonglieren konnte, aber die erste Person, die ich fragte, zeigte es mir. Und glaub's oder nicht, zehn Minuten später konnte ich fast jonglieren. Gegen Ende des Treffens lernte ich in der Küche Teller zu jonglieren, bis sich die Leute über Scherben in ihrem Essen beschwerten.
Samstag nachmittag kamen viele Busse, um alle zu einer Parade nach Brüssel zu fahren. Vorneweg eine Band, gefolgt von Jongleuren und verkleideten Einradfahrern liefen wir zu dem berühmten Grand Place von Brüssel. Mir gefiel Gégé (Gérard Estrem), der schick angezogen war - mit einem gelben Kleiderbügel um seinen Kopf und einem gelben Ball im Mund, der immer wieder zwischen seinen Lippen auftauchte. Der arme Gégé mußte sich beim Gehen auf seine beiden Devil Sticks stützen und bekam mit einem Polizisten Streit, der ihn schneller über die Straße haben wollte. Später spielte Gégé mit beiden Devil Sticks gleichzietig und war plötzlich gar nicht mehr lahm.
In der Mitte des Platzes war eine Bühne aufgebaut, und für die Anwohner und Touristen muß es ein erstaunlicher Anblick gewesen sein, als die Prozession durch eine Toreinfahrt auf den Platz strömte. Viele Künstler machten eine Straßenshow, einschließlich Popovich, andere jonglierten in verschiedensten Formationen. Dann war es Zeit für Spiele. "Die Schlacht der Jongliatoren" war eines davon, man mußte die anderen durch einen kleinen Rippenstoß vom Keulenjonglieren abbringen, ohne die eigenen zu verlieren. Kein Wunder, daß der Gewinner doppelt so breit war wie jeder andere. Es war auch ein guter Jongleur, später sah ich ihn fünf Feuerkeulen jonglieren. Die Gewinner der Spiele bekamen einen Korkenzieher mit dem typischen Brüssler phallischen Design. Die Jongleure müssen sich über unseren Geisteszustand ebenso gewundert haben, wie wir über ihren.
Schließlich fuhren wir alle zurück zur Sporthalle, um die öffentliche Show für den Abend vorzubereiten. Es wurde eine große Bühne aufgebaut und das Licht wurde professionell gerichtet. Eine 6-Mannband begleitete die Show, wo die erstaunlichen Resultate von Übung und Einfallsreichtum vor ausverkauftem Haus gezeigt wurden. Einer der Höhepunkte war Gustave Parking, der mit Kakaopulver statt herkömmlichem Petroleum Feuer spuckte. Peter Shub hatte mit einem störrischen, unsichtbaren Hund an der Leine seine Schwierigkeiten, was seine pantomimischen Fähigkeiten zeigte. Zauberei zeigte Neil Robinson mit Ringen und einem tanzenden Stock. Allan Jacobs brachte vor seinem Keulenschwingen eine herrliche Drei- und Fünfballnummer, synchron zu einem Film von seinem eigenen Schatten, der seine Bewegungen kopierte und ihn manchmal korrigierte oder herausforderte. Es war eine glänzende Mischung aus Können und Schauspiel. Aus vielen Gründen gefielen mir die Dreiballvorführungen am Besten, einschließlich Derek Scott, der dabei einen Apfel aß und als Zugabe noch einen Pfirsich - echt siffig! Das Duo "High Fidelety" verband das Dreiballabnehmen mit Slapstickkomik und Peter Davison von Airjazz zeigte eine großartige technische Nummer mit Siliconbällen. Zum Schluß kam Popovich, der eine erstaunliche Verwegenheit mit dem Devil Stick zeigte, sieben Bälle jonglierte (mit Tricks und Aufheben mit dem Fuß) und auf der Leiter sieben Ringe warf, während er ein Tablett mit vier vollen Weingläsern auf einem Stock auf der Stirn balancierte. Er bekam riesigen Applaus und die Athmosphäre war geladen.
Nach der Show gingen alle nach draußen, wo die mutigeren Jongleure flammende Fackeln herumwarfen, Feuerdevilsticks wirbelten und Feuerdiabolos in die Nacht schleuderten. Der Abend gipfelte in einem prächtigen Feuerwerk, was die meisten städtischen Feuerwerksvorstellungen beschämte. Die Ecole Sans Filet organisierte dieses Jongliertreffen ausgezeichnet.
Astrid, ich habe mir tatsächlich schon eine Woche Urlaub für das 9. europäische Jongliertreffen im nächsten September in dem kleinen Dorf Castellar de la Fronterra im südlichsten Teil Spaniens genommen. Ich habe nie Leute gesehen, die wie diese vier Tage lang feiern und so viel Spaß haben. Ich bin fit für eine Woche Schlaf, also werde ich hier schließen.
Alles Liebe
Brigitte
Scott Houghton mit Baby Ashley Foto: Bill Giduz Jugglers World
Glückwünsche¶
Zunächst einmal vielen Dank an Alle, die an unserem Convention-Wettbewerb teilgenommen haben. Es tut uns leid, daß wir nicht alles, was wir erhielten, abdrucken konnten. Und vielen Dank an die Geschäfte: "Die Jonglerie", "Pappnase & Co", "Keule & Co", "Nicky B" und "Spotlight", die spontan die Preise gespendet haben. Zusätzlich zu diesen Preisen und unseren Kaskade-Mannekin-Pis-Auszeichnungen hat jeder Gewinner eine traditionelle deutsche Weihnachtsspezialität bekommen: ein Lebkuchenherz mit seinem Namen in Zuckerguß verewigt. Noch einmal die Gewinner: der 1. Preis für eine Geschichte ging an Tim Roberts' scharfsinnige Trendanalyse, der 2. Preis ging an Sue Hunt, übrigens die einzige Frau, die uns einen Beitrag sandte (denkt mal darüber nach) und Charlie Holland, der dieses Problem auf seine Weise löste, verdiente mit seinem "Brief" den 3. Preis. Das 1. Preisfoto von Popovich war das Beste einer Reihe von Bill Giduz, der 2. Preis ging an Werner Lüfts Studie von Allan Jacobs und Hugo Rohde gewann den 3. Preis für die dreibeinigen Jongleure. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen (wir haben das schon richtig gemacht).
Wir hoffen, ihr schickt uns in Zukunft eure Briefe, Artikel und Fotos auch ohne winkende Preise! Wir freuen uns drauf.
Super! aber zu riesig¶
Impressionen vom 8. Europäischen Jonglierfestival
Mac (Manfred Härder), Bamberg
Ach, wie lange vorher hatte ich mich schon darauf gefreut. Ich war noch nie auf einem Jonglierfestival gewesen. Als wir zu viert mit dem Auto über die Grenze nach Belgien fuhren, wollten wir schon in Louvain La Neuve sein. Wir wurden ganz nervös, wollten jonglieren, wollten Jongleure sehen.
Mein erster Blick: Eine Halle voller Leute, beschäftigt mit Bällen und Keulen. Für einen "echten" Jongleur ist das Droge genug.
Mein zweiter Blick: Fünfball- und Fünfkeulenjongleure! Ich sah nur noch solche Leute, für einen mittelmäßigen Jongleur ist das Frust genug.
Zuhause staunen sie über jede Dreiballnummer, hier in Louvain La Neuve mußtest du blind mit drei Feuerbällen jonglieren, damit es jemand wahrgenommen hätte.
Wenige Minuten da, fiel auch schon der Name "Popovich", den donnerstags noch keiner richtig aussprechen konnte.
Seine theoretischen Erläuterungen Donnerstags nachmittags waren kalter Kaffee, sie standen in umgekehrten Verhältnis zu seinem Können. Obwohl er nicht der Beeindruckendste war für mich, weil er eh nicht zu erreichen ist. (Ich bin nämlich schon älter als acht, als er anfing.)
Beeindruckender, das war ein Amerikaner (Peter Davison-d. Red.) mitDreiballnummern am Samstagabend, der die Bälle über Kopf und Rücken rollen ließ.
Beeindruckender, das war der Publikumsliebling am selben Abend, von dem keiner den Namen weiß (Peter Shub d. Red.) der mit dem imaginären Hund, halt. Aus nichts machte er was und das gut, gar nicht so einfach, wo wir Jongleure uns zunächst vom technischen Können blenden lassen.
Beeindruckender schließlich, das war die Gruppe "Cirque du Trottoir ", die freitags in enger, angenehmer Atmosphäre auftrat. Technisch wäre das für viele Jongleure machbar gewesen, aber sie hatten zudem eine gute Show mit Musik, Tanz, etc.
Die Organisation des Festivals vorzüglich, kaum besser zu machen, der Umzug in Brüssel eine attraktive Alternative zu Karneval oder sonstigen Festen, eine herrliche Atmosphäre bildete der Grand Place in Brüssel.
Nur - das Festival war zu groß. Wo waren die Nischen und Freiräume? Diese ständige Herausforderung durch Fünfkeulenjongleure - ich konnte mich ihr nicht entziehen, wo ich gerne mal nur gequatscht hätte, aber da hätte ich ja einen Workshop oder ein Training verpassen können.
Deshalb: ein bißchen kleiner. Weniger (Leute) ist mehr (Atmosphäre).
In Südspanien nächstes Jahr sind's weniger. Sicher.
Ich kann auch nicht hin.
(Image: A person juggling seven balls.)
Antonio Bucci dotzt 7 Bälle 13 Min.13 Sek. (persönlicher Rekord) Foto: Bill Giduz, Jugglers World
Buchbesprechung¶
Juggling-The Art and its Artists¶
Karl-Heinz Ziethen und Andrew Allen, "Juggling - The Art and its Artists", Verlag Rausch & Lüft, Hasenheide 54, D-1000 Berlin 61, B.R.Deutschland, 364 Seiten, 298 Fotos (8 in Farbe), 93 Zeichnungen, DM 98,50 + Porto
Wie der Titel vermuten läßt, ist dieses Buch eher ein Kunstwerk als eine geschichtliche Enzyklopädie, und es ist bestimmt, ein breiteres Publikum anzusprechen als Karl-Heinz Ziethens Mammutband "4000 Years of Juggling". Der luxuriöse Silbereinband beeindruckt, bevor du dazu kommst, die schönen Fotographien, Plakate und Illustrationen anzusehen - einige in schillernden Farben - die aus Karl-Heinz Ziethens berühmter Sammlung stammen.
Viele dieser Bilder sprechen für sich - eine faszinierende Dreifachbelichtung in
(Image: A black and white photo of a man juggling.)
Frank Eders, 1939
Farbe von Kris Kremo, der mit Zigarrenkisten eine Pirouette dreht; eine lange Belichtung von Feuerkeulenschwingen von Michael Moschen; ein unwahrscheinlich jung aussehender Sergei Ignatov, der versucht, sieben überdimensionale Bälle in seinen kleinen Händen zu halten, der die Zähne zusammenbeißt und gen Himmel schaut. Neben diesen eleganten Künstlern finden auch die etwas ausgefalleneren Nummern vergangener Pioniere ihren gebührenden Platz in diesem Buch: Erik van Aro, der erste und einzige, der mit einem kompletten Schlagzeug jonglierte; Franco Piper, der 15 Banjos drehte, an denen er "wieder eine neue Auswahl schottischer Volksmelodien" spielte (Hot und Neon, erblaßt vor Neid!); oder Tux, ein Koch, der drei Stapel von Geschirr auf dem Kopf balanciert, während er zur Krönung den Schweinskopf obendrauf schmeißt.
Nach einem sehr kurzen historischen Umriß (4000 Jahre in 3 Seiten) sind die Bilder in Themenbereiche aufgeteilt, entweder nach verschiedenen Spezialitäten - Jongleure zu Pferd, Gentleman-Jongleure, Restaurantjongleure, Reifenroller, Fußjongleure, usw. - oder nach nationalgeprägter Stilrichtung - UdSSR und China. Einige Kapitel sind auch Personen- (oder Familien-)kultfiguren gewidmet: Rastelli, den Brunn- und Kremo-"Dynastien". Und ein Kapitel zeigt, wie Maler Jonglage dargestellt haben.
Jedes Kapitel wird durch eine Seite Bemerkungen von Andrew Allen eingeleitet, der ursprünglich vorhatte, Karl-Heinz Ziethens biographische Kommentare zu übersetzen, sie aber schließlich ins Namenregister zugunsten seiner eigenen "humoristischen" Reflexionen abschob. Ob du sie wirklich humorvoll findest oder bloß eine merkwürdige Mischung aus angeberischen Vokabeln und Plattheiten, hängt wohl von deinem eigenen Sinn für Humor und von der Größe deines Wörterbuchs ab. Aber wenn du dich nicht durch den Stil irritieren läßt (und in der deutschen und französischen Übersetzung ist er vielleicht gar nicht so irritierend), findest du viele interessante Denkanstöße. Ist Jonglieren an sich lustig? Gibt es deshalb keine Gentleman-Jongleure mehr, weil es auch im übrigen Leben keine Gentlemen mehr gibt? Macht es dem Supertechniker was aus, daß das Publikum die darin enthaltene Arbeit nicht würdigen kann?
Etwas störend wirken auch die Cartoons des französischen Jongleurs Toly M., die etwas hölzern erscheinen, besonders im Vergleich zu den meisten anderen Zeichnungen, die zeigen, daß es durchaus möglich ist, Jonglage als Momentaufnahme darzustellen, ohne daß dabei die Dynamik verlorengeht.
(Image: A black and white photo of a man juggling.)
Francis Brunn
Aber vielleicht ist das Haarspalterei, die einem durchaus empfehlenswerten Buch Unrecht tut. (Übrigens: Gabi fand die Cartoons passend und ganz lustig!) Es wird im März in endgültiger, makelloser Fassung erscheinen, und für 5 DM Aufpreis kannst du eine deutsche und französische Übersetzung vom englischen Text bestellen.
P.K.
(Image: A drawing of two people, one passing clubs to the other.)
Ägyptische Wandmalerei, ca.2040 v. Chr.
Scuola Teatro Dimitru¶
Als Fortsetzung unseres Zirkusschulreports berichten wir über die Schule des weltberühmten Schweizer Clowns Dimitri. Die Informationen für diesen Artikel stammen aus einem neu erschienenen Buch: "Theater und Schule Dimitri" (Benteli Verlag, Bern), das jedem zu empfehlen ist, der mit dem Gedanken spielt, eine solche Schule zu besuchen, und auch jedem, der sich für die Grundsätze der Zirkus- und Theaterkünste interessiert. Anschließend berichtet Kaskade-Leser Wolfram Steinert aus Nürnberg von seinen persönlichen Eindrücken nach einem Besuch in der Schule.
P.K.
Auch wenn die Schule von einem Clown gegründet wurde (im Jahre 1975), wehrt sich Dimitri immer gegen das Mißverständnis, daß seine eine "Clown-Schule" sei. "Für Komik kann es keine Schule geben - Komik ist ein Talent, das man entfalten und entwickeln muß. Lernen kann man nur eine gewisse Technik, wie man Komik besser zur Geltung bringen kann." Er bezeichnet sie dagegen als eine "Komödiantenschule", die alle Theaterformen einschließt, vor allem diejenigen, die auf Körpersprache basieren.
Diese Idee spiegelt sich im Fächerangebot:
Pantomime, Jonglage, Akrobatik, Tanz, Theaterimprovisation, Schminken, Stimmbildung. Dazu kommen Kurse in Fächern wie Rhythmus, Commedia dell'Arte und natürlich auch Clownerie. Alle Fächer sind obligatorisch.
Was für eine Rolle spielt das Jonglieren in Verscio? Anscheinend eine relativ nebensächliche. Gefragt, ob es ihn interessiert, Jonglieren zu unterrichten, antwortet der Akrobatiklehrer: "Wenn ich sehe, daß jemand Lust dazu hat, dann forciere ich dies natürlich. Aber auch wenn sie keine Lust dazu haben, müßten sie es tun. Denn meiner Meinung nach hilft die Geschicklichkeit und Schnelligkeit des Jongleurs für alle Fächer, und es ist auch etwas, das man nicht verliert. Das bleibt immer."
Die Ausbildung insgesamt ist "seriös und professionell", eine Behauptung, die sich durch die Qualifikationen der Lehrkräfte durchaus bestätigen läßt. Eben weil die Ausbildung so einzigartig umfassend ist, kommen die Schüler aus mehreren westeuropäischen Ländern und sogar aus den USA und Kanada.
Die dreijährige Lehrzeit ist "schwierig und anspruchsvoll" - ganztägiger Unterricht, nur 10 Wochen Ferien im Jahr - aber sie trägt Früchte, denn über 80% der Absolventen sind heute auf der Bühne tätig.
Zu dem hohen persönlichen Einsatz kommt der finanzielle, und der ist auch nicht gering. Ein Schuljahr kostet 7 200 Schweizer Franken, + 150 F Materialkostenanteil. Während des Trimesters ist es kaum möglich, durch eigene Theaterarbeit Geld zu verdienen.
Welche von den 70 bis 80 Bewerbern jährlich aufgenommen werden, entscheidet eine dreitägige Prüfung, die im Mai stattfindet. "Es ist nicht notwendig, sich speziell auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten. Die Kandidaten werden in Klassen eingeteilt und
(Logo: Scuola Teatro Dimitri 6653 VERSCIO)
folgen pro Tag je einer Lektion in allen Prüfungsfächern (Akrobatik, Tanz, Pantomime, Stimmbildung/Atmung und Theaterimprovisation)."
Weitere Voraussetzungen sind das richtige Alter: zwischen 17 und 26, und gute Italienischkenntnisse, da alle Kurse in dieser Sprache gehalten werden.
Für diejenigen, die sich fragen: hätte ich die notwendige Einstellung und das nötige Talent zu einer solchen Ausbildung, sind die Gedanken des Pantomimenlehrers und Mitbegründers der Schule, Richard Weber, vielleicht von Interesse:
"An allem Anfang steht das geheimnisvolle Wort 'Talent' - ein Alptraum für viele. Besitze ich Talent? Genug? Zuwenig? Überhaupt? Wie zeigt es sich? Zweifel und Unsicherheit lassen die zukünftigen Mimen nicht schlafen. Ich kannte jedoch Studenten,
die ein ausgesprochen spontanes Spieltalent zeigten. Aus verschiedenen Gründen waren sie aber unfähig, es zu beherrschen und richtig zu benützen. Dagegen erreichen oft mittelmässig talentierte Schüler ein überraschend hohes Spielniveau. Ganz ohne Begabung, ohne die uralte komödiantische Lust, anderen etwas vorzuspielen, sie zum Lachen zu bringen oder in Spannung zu versetzen, ohne die Freude, sich zu verkleiden und in andere Personen einzuleben, geht es natürlich nicht. Auch Vorstellungskraft und Sensibilität für die Musik sind sehr wichtig. Aber eben, auch das größte Talent ist keine Garantie für eine erfolgreiche Theaterkarriere. Die beste Pflege der vorhandenen Begabung ist die konzentrierte, regelmäßige Arbeit."
Die abgeschiedene Lage der Schule (ein Gebäude aus dem Jahre 1687) - in einem kleinen Dorf in der Tessin, dem italienischsprachigen Teil der Schweiz - soll diese konzentrierte Arbeit fördern. Kontakt zur inspirierenden Theaterwelt wird dadurch aufrechterhalten, daß im Teatro Dimitri, das schon seit 1971 besteht und im Jahre 1983 neu umgebaut wurde, international bekannte Künstler gastieren. Außerdem besteht eine eigene Compagnia Teatro Dimitri (zusammengesetzt aus ehemaligen Schülern), die regelmäßig Produktionen im Sinne von Dimitris Konzept des "totalen Theaters" vorführt: d. h. "ein Theater, wo alles möglich ist: Sprache, Stimme, Pantomime, Artistik, Jonglieren, Tanz." Die praktischen Abschlußarbeiten der Schüler werden - unter der Leitung erfahrener Regisseure - ebenfalls im hauseigenen Theater vor einem fachkundigen Stammpublikum aufgeführt.
Buch und Bewerbungsunterlagen sind erhältlich von: Scuola Teatro Dimitri, CH-6653 Verscio, Schweiz, Tel. 093 81 25 44.
Übrigens: wem 3 Jahre Ausbildung doch zu viel sind, soll sich über die jährlichen Sommerkurse erkundigen. Die Teilnehmer, geteilt in Profis und Laie, erhalten nämlich 1 bis 2 Wochen lang Unterricht in den Hauptfächern der Schule.
(Image: A black and white photo of a clown, presumably Dimitri.)
Clown Dimitri →
Ein Besuch bei Dimitri¶
Wolfram Steinert, Nürnberg
Dienstag früh. Ich sitze in der Bahn auf dem Weg nach Verscio. 9 Stunden Fahrt liegen vor mir. Gestern Vormittag hatte ich in der Scuola Teatro Dimitri angerufen und mich zu einem Besuch angemeldet. Mir wurde erlaubt, einen Tag lang beim Unterricht zuzusehen.
Ich selbst bin Täuschungskünstler - Zauberer, oder ich möchte es zumindest werden. Von so einem Beruf allein zu leben ist heutzutage nicht sehr leicht. Denn Zauberkünstler gibt es wie Sand am Meer. Zwar meistens nur Teilzeitprofis oder Amateure und leider auch oft nicht sehr gut, aber sie sind da - und somit Konkurrenz. Also habe ich beschlossen, mehr als nur ein Zauberer zu sein. Ich möchte eine Art Revue machen mit Tanz, Pantomime, Akrobatik, Jonglieren, viel Spaß - und und... und ... Doch wo kann man so etwas lernen, ohne bei mehreren verschiedenen Schulen und Lehrern gleichzeitig Unterricht nehmen zu müssen?
(Image: A black and white photo of a person, presumably Wolfram Steinert, juggling three balls.)
Paulette (Maskentheater)
Als ich ankam, war ich überrascht. Die meisten Schulen für künstlerische Richtungen befinden sich in Großstädten. Dimitris Schule aber ist 6 km von Locarno entfernt in einem kleinen Ort in den Bergen. Im Sekretariat bekam ich kurz vor 18.00 Uhr dann eine Besucherkarte, nach der ich beim Unterricht der 3. Klasse, also der Abschlußklasse, zusehen durfte. Am Abend war in dem angeschlossenen Theater eine Vorstellung von Dimitri selbst. Das ließ ich mir nicht entgehen. Ich kann jedem, der Dimitri noch nicht gesehen hat, nur empfehlen, eine Vorstellung von ihm zu besuchen. Allein diese Darbietung machte mir die Schule um 100% sympathischer, als sie mir ohnehin schon war.
Am nächsten Morgen um 8.30 gings los. Zuerst war Maskenbau. Fast anderthalb Stunden durfte ich zusehen, wie 9 Schüler mit Schleifpapier an ihren Masken Flächen glätteten, Konturen und Kanten ausarbeiteten. Es war faszinierend zu sehen, welche Kleinigkeiten die Maske veränderten, und mit was für einer Genauigkeit gearbeitet wurde.
Richard Weber gab mir zum Schluß eine kleine Einführung: Es wird in der Schulzeit eine neutrale Maske ohne besondere Gesichtszüge und Wesensmerkmale und eine Charaktermaske gebaut. Mit beiden Masken werden kleine Stücke eingeübt. Wobei man sich bei der Charaktermaske nach ihren Merkmalen richten muß, die neutrale Maske aber jede Art der Funktion der zu spielenden Person offen läßt.
Danach war Tanzen angesagt. Und zwar an diesem Unterrichtstag Stepp. Schritt für Schritt wurde geübt und dann mit Musik getanzt. Im Laufe des Unterrichts steigerte sich der Schwierigkeitsgrad immer mehr, bis zum Schluß eine richtige Kombination auf die Bretter gelegt wurde, die auftrittsreif war. Es werden aber auch andere Tanzarten wie Gesellschaftstänze, Modern, Folklore, klassischer Stil usw. gelehrt.
Der Akrobatik-Unterricht begann mit leichten Übungen wie Laufen, Springen, Rollen usw., um die Muskeln aufzuwärmen. Nachdem die Schüler gemeinsam Übungen, Sprünge und Kombinationen gemacht hatten, gingen sie dazu über, allein oder zu zweit Übungen und Routinen nach eigenen Stilrichtungsneigungen und Können zu trainieren. Szilard Szekely, der Lehrer für Akrobatik, stand mit Rat und Tat zur Seite und schien seine Augen überall gleichzeitig zu haben. Ununterbrochen korrigierte er, gab Hilfestellungen und spornte zum weiteren Üben an.
Am Nachmittag war dann Schauspielunterricht. Es wurden zwei kleine Szenen eingeübt. Während die Hälfte der Schüler eine Szene übte, schaute der Rest dabei zu und gab durch die publikumstypischen Reaktionen wie Lachen, Staunen usw. den Spielern unbewußt wichtige Orientierungsmerkmale. Der Lehrer Dieter Barbel gab während des Spielens Anweisungen und Verbesserungsvorschläge, die aber keine Regieanweisungen waren, sondern durch ihre Begründungen dem Schüler dramaturgische Stilmittel und schauspielerische Grundsätze vermittelten.
Mit dieser Unterrichtsstunde endete für mich der Besuch bei Dimitris Scuola. Einige Schlußgedanken noch:
Ich finde es wichtig, daß an der Schule nicht nur Theorie und praktische Übungen gemacht werden, sondern daß man zeigen muß, was man kann und gelernt hat. Und zwar vor der unbestechlichsten und am genauesten beobachtenden Jury, die es gibt: dem Publikum.
So, das alles mag jetzt sehr schön und einfach klingen. Aber wenn man einmal gesehen hat, wie dort "gearbeitet" wird, wie sich alles um die Ausbildung dreht, wird man nachdenklich. Ich glaube, daß ich dort große persönliche Lernprozesse durchmachen werde. Es wird Zeiten geben, in denen ich alles hinschmeißen möchte, in denen mir alles zuviel wird...
Ich werde bestimmt einmal glauben, daß ich gar kein Talent dafür besitze. Meine Ideen und Vorstellungen von dem, was ich machen möchte, werden nach der Schule ganz andere sein als jetzt. Ein komisches Gefühl, da ja gerade diese Ideen und Vorstellungen mich dort hinbringen.
Castellar de la Frontera¶
18.-19.-20.-21. SEPTEMBER 1986
Nummer Neun¶
Mick Swain, Bridgewater, England
Seit 2000 Jahren hat das Fort Castellar de la Frontera die Welt in Schach gehalten, aber jetzt hat es sich dem Reich der Gaukler angeschlossen und hat seine Tore für die Jongleure und Clowns für das Treffen - oder sollte ich Festival sagen - von 1986 geöffnet.
Mir Chronisten hinter den Kulissen der Jonglierbewegung der Treffen 5 bis 8 scheint es, als würde die Nummer 9 in Castellar der Anfang einer neuen Ära, wenn wir die Möglichkeit erforschen, unsere Zusammenkünfte mal in verschiedenen Umgebungen zu halten und mal in herkömmlichen Räumlichkeiten.
Castellar ist anders. Von weitem scheint es aus dem Berggipfel geschnitten zu sein. Wenn du ankommst, stellst du fest, daß das mehr oder weniger auch so ist - die Wände und Türme der Burg sind auf Felswände gebaut. In der Burg öffnen sich die engen, blumenüberhangenen Gassen zu Plätzen und Terrassen, die ideale Übungs- und Auftrittsorte bieten. Essen und Getränke werden in schattigen Ecken serviert. Einheimische Gruppen werden Musik machen - aber bitte bringt auch eure eigene mit.
(Image: A photo of a castle on a hilltop, with the question "Felsen oder Burg?")
Felsen oder Burg? Foto: Toby Philpott
Das Meiste, was du von Castellar gehört hast, stimmt. Die Sonnenuntergänge über der Sierra, der Blick auf den Felsen von Gibraltar und die Küstenfelsen von Marokko, der Korkeichenwald und der Flug der Geier, die vom See herübergleiten, um sich in Spiralen vom Luftauftrieb der Burg in die Höhe gleiten zu lassen, bis sie außer Sicht sind.
Um Castellar einordnen zu können, muß man bedenken, daß es ein Dorf in Andalusien ist, was geographisch in Europa, aber ethnisch und kulturell eine herausfordernde Mischung von Spanien und Nordafrika ist. Eine Tagesreise von Castellar liegt die Alhambra, in Granada, wo du sicher sein kannst, etwas zu finden, was bisher in deinem Leben fehlte. Dann ist dort die Sierra Nevada, Cordoba, Ronda, Jerez und die farbenprächtige Phantasie Sevilla. Versuche sie auf deinem Weg zu besuchen.
Andalusien ist ein armes, aber großzügiges Land, und wenn du das Festival/Treffen verläßt, falls du es verläßt, wird es dich reichlich mit Energie und Vitalität ausstatten, um deinen langen nördlichen Winter aufzuhellen.
Wir sehen uns bei Nummer Neun.....
Eine Party¶
Toby Philpott, Bridgewater, England
Vor acht Jahren trafen sich in Brighton, England, ein paar Jongleure. Es waren etwa 12 Leute mit Freunden und Verwandten in einer kleinen Halle. Solche Treffen sind mittlerweile bei vielen Gruppen, speziell in Nordeuropa, wöchentliche Routine. Für die IJA-Mitglieder, die weder Zeit noch Geld hatten, zu den Haupttreffen in den Staaten zu fahren, war das die erste Gelegenheit, andere Jongleure zu treffen.
Wenn ich auf früheren Treffen mit Leuten sprach, haben sie oft angenommen, ich wäre der Sprecher einer großen U.S.Organisation, die unfairerweise das Wort "international" besetzt hätte. Die IJA sehen mich wahrscheinlich als Teil der abtrünnigen europäischen Bewegung. Ich denke, daß die Angst vor der "Amerikanisierung" zum Teil damit zu tun hat, daß das Ereignis zur organisierten Pauschalreise mit Wettbewerben wurde. Wir haben nicht dieses System entwickelt, obwohl die Unterbringung vieler Leute gut gelöst wurde, jedes Jahr auf eine andere Weise. Zwangsläufig kamen wir bis zur Sporthalle und Studentenwohnheimen und einer öffentlichen Show, in der aufzutreten sich nur wenige trauten.
Dieses Jahr wurden wir von einer kleinen Gruppe nach Spanien eingeladen. Die Reise ist weiter, aber man kann neue Zuschauer und andere Jongleure treffen. Wir haben einen flexiblen Spielplatz - den Himmel. Stell dir nicht ein Rockkonzert in saftigen Wiesen Nordeuropas vor. Im September ist Spanien ausgeblichen und öde. Die Burg und das Dorf von Castellar de la Frontera, die das Zentrum des Treffens sein werden, liegt auf einem Berg und ist schöner, als man sich vorstellen kann.
Ich kann nicht objektiv berichten, weil ich den Ort auf den ersten Blick liebte. Das Schloß mit den darüber kreisenden Geiern ist bei Vollmond (es gibt nur wenige elektrische Lichter) oder bei hellstem Tageslicht ein mächtiger Anblick. Während meiner zwei Besuche dort, habe ich mir einige super Parties vorgestellt.
Es wird keine geschlossene Umgebung sein, die mit geradem Boden und hellem Licht für Spiele spezialisiert ist. Es gibt kopfsteingepflasterte Plätze, kleine Gassen und Torbogen, und überall hat man wahnsinnige Ausblicke auf Berge, Wasser und Himmel. Das ist ein Platz, um am 18. September 1986 bei Vollmond mit seinen Freunden ein Glas Wein zu trinken.
Viele Leute werden auf der Hin- oder Rückreise andere Teile von Spanien ansehen, damit sich die Reise lohnt. Mick Swain und ich erforschten zwischen unseren beiden
(Image: Der kleine Platz, Foto: Toby Philpott)
Botschafterbesuchen in Castellar Andalusien. Das ist eine andere Geschichte, aber es gibt viele zauberhafte Dinge zu tun, ohne in die Nähe des touristischen Disneylands der Mittelmeerküste zu gehen.
Wenn wir uns in Städten treffen, sind wir nur ein Ereignis unter vielen, wenn wir auch farbenfroh und ungewöhnlich sind. Uns nun in einem kleinen Dorf treffen, wo wir die Einwohner zahlenmäßig übertreffen werden, heißt, daß wir ein großes Ereignis in ihrem Leben darstellen werden, und wir brauchen ihre Beteiligung.
Ein Fest ist in Spanien normalerweise eine beliebte Idee, und im Dorf sind einige Leute, die begeistert und voller Ideen sind, dieses Ereignis unvergesslich zu machen.
Einige Leute werden in Häusern der Ansässigen wohnen können (einige in der Burg selbst) andere können in Autos oder Zelten campen, einige können in billigen Pensionen in der Nähe wohnen und jeden Tag in einem Bus den Berg hinauffahren. Je selbstversorgter du bist, je besser. Einzelheiten über Wasser, Camping, Essen, Toiletten, usw. werden später bekanntgegeben. Es ist wichtig, daß wir die Unordnung und die Störung des normalen Dorflebens so klein wie möglich halten.
Zeitweise wird der Ort überfüllt sein, deshalb werden wir keine Touristen ermutigen, zu kommen, obwohl es Spaß machen könnte, Samstags wie auf einem Markt die Öffentlichkeit einzuladen. In einer Mischung von öffentlicher Show und Straßenfest könnte jeder eine Straßenshow zeigen oder einen Workshop geben.
Das "Narrenimperium" der Jongleure wird mittlerweile so groß, daß es schwierig ist, uns alle zur gleichen Zeit an einem Ort zu sammeln. Die Notwendigkeit für ein einziges Treffen, zu dem jeder kommt, wird durch eine Serie größerer und kleinerer Treffen überall auf dem Kontinent ersetzt.
Während sich der Kalender mit Terminen für lokale Treffen für die Erhaltung von Freundschaften füllt, scheint es wichtig, die jährlichen Treffen dazu zu nutzen, neue Wege zu öffnen. Dieses ist für die reisenden Spieler. Wenn du während 'des ganzen Jahres nicht geübt hast, warum solltest du plötzlich lange und ermüdende Trainingssätze versuchen? Mitten am Tag ist es sehr heiß.
Wenn wir genug Spanier zusammenbekommen, kann es möglich sein, daß sie eigene Treffen veranstalten werden. Falls du also 1986 in Spanien nicht zum Jonglieren kommst, kannst du vielleicht Kontakte für die Zukunft knüpfen.
Für alle, die lieber ein "konventionelles" Treffen hätten, sei bemerkt, daß das zehnjährige Jubiläumstreffen wieder in Brighton sein wird, wo es alles anfing. Brighton ist eine Stadt, die viele Kongresse gesehen hat, und dieser könnte ein großer werden und eine Abwechslung von den politischen Parteien sein, die die Stadt sonst in Beschlag nehmen.
Wenn du Interesse hast, nach Spanien zu kommen, könntest du vielleicht an die Associacion Cultural eine Postkarte schicken, damit sie Zahlen abschätzen können. Eine Party in Spanien '86 und ein großes Wiedersehen in England '87. Weiß jemand, was danach passieren wird? Plant jemand so lange im voraus? Wird es ein 11. Treffen geben - in dem Jahr, von dem alle Jonglierposterdesigner träumen - '88?
Kaskade Workshop¶
Jonglieren und Zauberei¶
Zarro Zarro, Paris
(Image: A series of six drawings depicting a person juggling and performing magic tricks.)
Jonglieren läßt sich gut mit anderen körperlichen Ausdrucksformen verbinden: Einradfahren, Tanz, Pantomime. Es kann auch mit magischen Effekten kombiniert werden, wenn diese gut in die Jongliernummer integriert werden.
Für die Auswahl der Tricks gibt es keine festen Regeln, das hängt ganz von der Persönlichkeit des Artisten ab, von der Art der Nummer, dem jeweiligen Publikum und dem Auftrittsort.
Ich denke, daß eine Jongliernummer von 8, 10 oder 12 Minuten zwei bis vier Minuten Zauberei enthalten kann, d.h. wenn die Nummer eine Jongliernummer mit einigen magischen Einlagen bleiben soll und nicht eine Zaubershow mit Jongliereinlagen. Es ist möglich, das Gewicht 50-50 zu verteilen, aber dann ändert sich der Showcharakter.
Es wäre für einen Jongleur geschäftlich sinnvoll, für eine Kinder- und Familienvorstellung 15-20 Minuten Zauberei zusammenzustellen. Zusammen mit dem Jonglierteil ergibt das ein halbstündiges Programm, was gerade für Weihnachtsveranstaltungen und Vereinsfeste sehr gefragt ist, wo nicht viel Gage möglich ist und der Künstler mehr als die kurze Cabarettshow spielen muß, die er oder sie normalerweise zeigt.
Zum Jonglieren passen am Besten schnelle und schillernde Effekte, farbenfrohe Gegenstände mit schönen Seidentüchern und farbigen Seilen und - Tricks mit lebenden Tieren (aber du solltest dich fragen, ob du Tiere magst und ob du dir die Mühe machen willst, sie richtig pflegen zu lernen).
Auch Luftballonskulpturen können vorteilhaft sein - sofern sie nicht übertrieben und mit der richtigen psychologischen Methode benutzt werden. Kinder sind nicht an dem gezeigten Können interessiert - das ist die Einstellung Erwachsener - sie wollen einen Ballon - und zwar jeder! Um einen Aufruhr in dem jugendlichen Publikum zu vermeiden, solltest du einige Helfer aus dem Publikum holen und die anderen Kinder fragen, ob du den Helfern etwas zum Dank geben sollst. Die Kinder werden das bejahen, und sie werden dann akzeptieren, daß nur die Helfer je einen Luftballon bekommen. Dieser Punkt muß so gewählt werden, daß die Kinder zugestimmt haben, bevor du dazu übergehst, Ballonskulpturen zu machen und zu verschenken.
Die Requisiten, die du für deine Zaubertricks benutzt, können natürlich mit denen verwandt sein, die du für deine Jonglage benutzt. Wenn du Teller, Tassen und Untertassen jonglierst, könnten Tricks mit Küchenutensilien benutzt werden. Um Dinge auftauchen und verschwinden zu lassen, kannst du Kisten benutzen: aus eben so einer Kiste kannst du deine Jonglierrequisiten am Anfang der Show hervorzaubern und vielleicht am Ende verschwinden lassen.
Für den Anfänger in der Zauberei sollte eine vorläufige Auswahl einer Anzahl von Effekten gemacht werden. Nach und nach wird der Künstler herausfinden, welche Tricks zu ihm/ihr persönlich passen und welche die besten Reaktionen zeigen. Dann kommt die endgültige Auswahl und von da an sollten so gut wie keine Veränderungen vorgenommen werden, da eine runde, ausgefeilte Vorstellung nur das Ergebnis von mehrere Jahre lang wiederholten Aufführungen sein kann. Dies bringt viel Arbeit und Ausgaben für Requisiten mit sich, aber es gibt keinen anderen Weg.
Schaue nicht nur zu anderen Jongleuren um ihre Zaubertricks zu kopieren. Ich habe unzählige Male gesehen, wie eine Zigarette im Pullover eines Zuschauers ausgedrückt wird - Ja, ich weiß, der Effekt ist gut, ich benutze ihn in meinem Kinderprogramm selber, um emotionale Spannung zu erzeugen. Aber es gibt andere, wenn es nur darum geht, deiner Jongliernummer ein bißchen reizvolle Magie hinzuzufügen.
Wenn Zauberei in einer Jongliernummer benutzt werden soll, sollte sie sorgfältig geplant und gut ausgearbeitet sein, damit sie einen wertvollen Beitrag zu deiner Show liefert und nicht nur ein verlängerndes Element ist.
Du kannst Zaubertricks finden, die technisches Können voraussetzen, und andere, bei denen dies nicht der Fall ist. Hier ist der Unterschied zum Jonglieren. Die Öffentlichkeit weiß nicht, was schwierig ist, deshalb ist es vom Standpunkt der professionellen Unterhaltung unklug, sich zu vielen technischen Schwierigkeiten hinzugeben.
Auf jeden Fall sollten deine Tricks auch "rückensicher" sein, d.h. auch wenn du umringt bist, sollte es möglich sein, sie zu zeigen. Es gibt immer noch viele Tricks, die
Grafik: Thomas Verblüffungsartist, Wiesbaden
diese Voraussetzung nicht erfüllen, es sind Relikte aus der Zeit, als der Künstler das Publikum immer vor sich hatte! Die Zeit, die du gewinnst, wenn du weniger technische Tricks verwendest, kannst du für die Arbeit an der Präsentation benutzen. Denke daran, die Tricks selber sind uninteressant - ja, das denke ich - nur die Schauspielkunst und die Präsentation, die DU in sie hineinlegst, werden das Publikum anziehen und halten. Nur die beiden Dinge werden die nötige Spannung und Erregung für deinen Erfolg erzeugen.
Frage dich: Was will ich vermitteln? Überraschung? Geheimnis? Entspannung? Freude? Sympathie? Oder was sonst?
Praktischerweise sollte die Ausrüstung leicht ab- und aufzubauen sein. Keine schweren, sperrigen Requisiten - es sei denn, du reist mit einem Zirkus!
Sehr beliebt ist die Publikumsbeteiligung, und Showorganisatoren fragen häufig, ob du so etwas machst. Sie muß jedoch GESCHMACKVOLL gebracht werden. Zaubere nicht BHs oder andere Unterwäsche aus der Tasche des netten Herrn, den du zur Hilfe auf die Bühne gebeten hast; hole nicht die Eier vom Allerwertesten des Kindes, das dir beim "Ei-in-der-Tüte"-Trick hilft. Wenn du geschmacklose Dinge benutzt, wird es dir zwar einfache Lacher bringen, aber es wird dir auch viele Türen zu Shows verschließen, wo guter Geschmack und gutes Benehmen gefragt ist.
Alle freiwilligen Helfer aus dem Publikum sollten mit äußerster Höflichkeit und Freundlichkeit behandelt werden. Wenn du Witze machst, solltest du und das Publikum mit dem Freiwilligen lachen, nie über ihn. Das ist äußerst wichtig.
Du solltest Literatur über Schauspielerei und Präsentation lesen. Die meisten sind in Englisch, einige Titel gibt es auch auf Deutsch (von Magic Hands und ZauberZentrale - siehe Liste unten). Was die allgemeine Handlung und Geschichte deiner Nummer und die Bühnentechnik angeht, lies: Mark Stolzenberg, "Clown for Circus and Stage", Sterling Publishing Co., 2 Park Avenue, New York, NY 10016.
Wenn du Fragen hast, melde dich bei mir:
Rolf R. Wollert (ZARRO ZARRO) 22 rue de Bellechasse F-75007 Paris
Tel. 1 - 47 05 71 66
VIEL GLÜCK!
Das Kreuz¶
Vier halbwegs erfahrene Keulenjongleure können beim Passing in einer Kreuz-Formation eine Menge Spaß haben. Für einen oberflächlichen Zuschauer scheint es oft unglaublich, daß sich die Keulen verfehlen. Die Grundidee ist, daß 2 Paare durch eine gemeinsame Mitte passen, wie es in Bild 1 gezeigt wird:
(Image: A diagram showing four people in a cross formation, with arrows indicating the passing pattern of clubs.)
Bild 1
Die normale Technik zur Vermeidung eines Zusammenstoßes sind versetzte Würfe. Ein Paar beginnt mit 2 Keulen in der linken Hand und wirft deshalb einen halben Takt später als das andere Paar. Oder aber ein Paar kann mit hochgehaltenen Keulen beginnen, während das andere Paar mit den Keulen in Hüfthöhe anfängt und so einen halben Takt Vorsprung hat. Ein gewagter Versuch, einmal ein 3-3-10 Muster ohne Zusammenstöße durchzuhalten, ist auch sehr lustig.
Eine einfachere Alternative wäre, daß ein Jongleurpaar immer hohe Doppeldrehungen über die einfachen Drehungen des anderen Paares wirft. Natürlich können alle vier gleichzeitig beginnen, ohne einen Zusammenprall zu riskieren.
(Image: A diagram showing four people in a cross formation, with arrows indicating a simultaneous passing pattern.)
Bild 2
Für einen wirklich umwerfenden Effekt können die vier Jongleure alle einfache Drehungen, wie im ersten Beispiel, machen, aber alle gleichzeitig! Das Geheimnis besteht darin, daß alle zum genau richtigen Zeitpunkt sehr weit neben dem Körper werfen und fangen müssen. (Siehe Bild 2) Hier ist einiges Können und Glück nötig, aber der visuelle Effekt ist der pure Wahnsinn, besonders wenn ein 3-3-10 klappt. Versuche es mal, aber hüte dich vor unkontrolliert fliegenden Keulen!
Charlie Holland, London
Fortsetzungsroman "Verliebte Jongleure"¶
eine wahre Geschichte voller Romantik und Spannung, besonders für Jongleure erzählt und für Kaskade als Fortsetzungsroman geschrieben von Johannes Mario Schimmel
Teil 11: Ronalds Unglück
Was bisher geschah ...
Ronald, der zur Zeit Bankkaufmann lernt und in seiner Freizeit heimlich jongliert, hat sich hoffnungslos in Pamela verliebt, eine Schauspielstudentin mit "Showbusiness"-Ambitionen. Bei einer zufälligen Begegnung unter den Zuschauern einer Straßenshow auf dem Ku-damm hatte Pamela von der Wilmersdorfer Jongliergruppe erzählt. In seinem hoffnungsvollen Optimismus hatte Ronald ihre Worte als Anspielung verstanden, daß sie persönlich gar nicht traurig wäre, ihn am nächsten Dienstag dort zu sehen.
Nun lesen Sie weiter ...
Endlich kam der heiß ersehnte Dienstag Abend. Um nicht als erster in der Turnhalle aufzutauchen, was ihn als übereifrig erscheinen ließe, ging Ronald sehr langsam, obwohl sein Herz wie sieben Silikonbälle auf einer Marmorplatte pochte. Sogar die schlecht beleuchtete, unterheizte und im großen und ganzen heruntergekommenen Turnhalle der Schule hatte für Ronald eine romantische Aura. Bei der düsteren Beleuchtung schien seine schleichende Ankunft niemandem aufzufallen.
Verstreut packte Ronald seine Tasche aus und merkte nicht, wie seine Bälle wegrollten, um sich unter obskuren Turngeräten zu verstecken. Er sah nur Pamela, die in einem Strahl Neonglanz dastand und lässig die Keulen hinter ihrem schönen Rücken bis 10 cm unter die viel zu niedrige Decke warf.
Ronald war wie verzaubert. Er betrachtete ihren langen Hals, der sich graziös nach links und nach rechts wandte, damit sie jede Keule, die über ihren unglaublich beweglichen Schultern wieder in Sicht kam, genau beobachten konnte.
Als er wieder zu sich kam, stellte Ronald fest, daß seine Bälle ihn verlassen hatten. So war er gezwungen, sein Training mit Keulen zu eröffnen, die - bei seinem kalten Zustand - seine Finger und Handgelenke fürchterlich marterte.
Würde er den Mut aufbringen, sie anzusprechen? Was würde sie von seinen Keulen denken? (Er hatte sie auf einem Flohmarkt erstanden, und das sah man ihnen auch an: die Silberfolie schälte sich, und die Knobs waren so locker, daß er beim Üben von Keulenschwingen zu Hause schon etliche Vasen zerstört hatte.) Er versuchte, sich Mut einzuflößen, indem er zunehmend schwierigere Wurfkombinationen übte, und plötzlich geschah es.
Wie von einer unsichtbaren Jojoschnur angezogen, fand er sich auf dem Weg in Pamelas Richtung. Es gab kein Zurück mehr. "Ahh... guten Abend," begann er nervös. "Ach, guten Abend, Robert. Schön, dich zu sehen," antwortete sie mit der neutral-höflichen Stimme einer Schauspielstudentin. "Uh..., Ronald," sagte Ronald etwas verunsichert aber fest entschlossen, diese Sache bis zum Schluß durchzuführen.
"Ich wollte...," fuhr er fort. "Ja?" sagte sie, und versuchte, Erwartung vorzuspielen und nicht zu lachen. Ronald unternahm den Versuch, lockeren amerikanischen Jonglierslang einzuwerfen, was kläglich daneben ging: "Ich wollte dich fragen, ob du Lust auf Pissing hast" - uhh, ich meine Passing." "Mit mir," fügte er hinzu, als wäre dieser letzte Aspekt zu vermessen, um eine Selbstverständlichkeit zu sein.
Zu seinem großen Erstaunen sagte Pamela zu, wer weiß warum. Nach der üblichen Verwirrung hinsichtlich des Anfangs fanden sie schließlich einen bequemen "jeden zweiten" Rhythmus, und Ronald betete, seine Knobs mögen ihn jetzt nicht in Stich lassen. Sein Selbstbewußtsein wuchs mit jedem gelungenen Austausch, und er war kurz davor, den entscheidenden Vorstoß zu wagen - den Übergang auf "jeden" vorzuschlagen, als -
Ehe er's sich versah, fand er sich keulenlos, einige Meter links von der Stelle, wo er eben stand. Und da stand Rocky Batmann, der Straßenkünstler, dem Pamela und er damals auf dem Ku-damm zugeschaut hatten, und paßte mit ihr, mit Ronalds Idol. Er war Opfer einer brutalen Abnehm-Aktion gewesen, und es tat weh.
Dies erweckte in Pamela den Gerechtigkeitssinn, und sie bestand darauf, daß Ronald bei einem Feed mit ihr und Rocky einsteigen dürfe. Rocky machte aus seinem Unwillen keinen Hehl, und schleuderte Ronald absichtlich völlig unfangbare Keulen zu. Ronald mußte ständig auf dem Boden herumkrabbeln im demütigenden Kampf, die Keulen aufzuheben und den Rhythmus aufrechtzuerhalten. Gerade in dem Augenblick, als Ronald endlich wieder Fuß gefaßt hatte, ging Rocky, der die ganze Zeit schamlos angegeben hatte, aufs Ganze: Doppeldrehung, dann dreifach, dann vierfach, mit anderthalb Pirouetten und dreimaligem Händeklatschen, bevor er die nächsten Keulen blind hinter dem Rücken auffing. Die Doppeldrehung zerstörte sofort Ronalds Jonglage, und während er sich fragte, warum Rocky auch keine Keulen in der Hand haben konnte, schlug die Vierfache ein - brutal überdrehtes Ungeheuer mit der Wucht einer Pershingrakete auf ihn nieder.
Als er die Augen wieder aufmachte, konnte er neben sich schemenhaft Pamelas Gesicht ausmachen, und spürte die eisige Kälte des naßen Schwamms, mit dem sie die riesige Beule auf seiner Stirn zärtlich streichelte. "Mein Gott, was für ein Riesen-Teil du da hast," hörte er sie murmeln, eine Bemerkung, die er erst später richtig verstand.
Ronald fühlte sich ganz komisch. Lag es an dem Kopfschlag? Oder daran, daß das Objekt seiner Leidenschaft ihn jetzt fest in ihren Armen hielt? Jedenfalls war er davon überzeugt, kein angehender Bankkaufmann mehr zu sein. Die teilweise defekten Neonröhren waren in seinem Delirium die Bühnenbeleuchtung des Londoner Palladium, wo er als Starbesetzung das Programm anführte - er und seine Partnerin, die reizende Miß Pamela. Und damit wurde er wieder bewußtlos und fiel in einen wunderschönen Traum.
So konnte er zum Glück nicht hören, wie Pamela die Selbstbeherrschung verlor, die er an ihr so sehr bewunderte. "Rocky, du blöder Affe," rief sie, "sieh dir an, was du mit dem armen Richard angerichtet hast! Auch wenn der Hampelmann nicht für 5 Pfennig fangen kann, ist das noch lange kein Grund, ihn krankenhausreif zu schlagen!"
Sie fühlte sich irgendwie verantwortlich für das, was gerade passiert war, und auch verpflichtet, den Verwundeten zu pflegen. Ohne ein Wort zu sagen, sammelte sie Ronalds Sachen ein, wobei sie ihren Ekel offen zeigte, als sie seine Socken in seine Tasche stopfte. Dann hievte sie Ronald ohne Zeremonie in eine mehr oder weniger senkrechte Position und schleppte ihn und seine Sachen zu ihrem Auto. Da Ronald nicht imstande war, ihr zu sagen, wo er wohnte, beschloß sie, ihn mit zu sich nach Hause zu nehmen, damit er sich dort auf dem Sofa erholen könnte.
Es war eine Entscheidung, auf die sie später als den schlimmsten Fehler ihrer Karriere zurückblicken würde - denn ihr war noch nicht bewußt, was für eine schreckliche Verwandlung "der Große Ronaldo" durchgemacht hatte.
Lesen Sie nächste Woche: "Au Weia! Nicht der Apfel-Sichel-Fackel-Trick!"
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